Freitag, 22. Dezember 2017

Human Factors vs. Digitalisierung – die eindrucksvolle Demonstration der Realitäten

Die Landung mit einem Verkehrsflugzeug, wie der A320, in Paro/Bhutan ist die größte Anforderung an Arbeitsqualität für Piloten, die man sich vorstellen kann.



Perfektes Workload-Management, Stressmanagement, exaktes Einhalten der Verfahren und Routen (zero tolerance), stetige Situational-Awareness, Grenzen der digitalen Technik und, last but not least viel Training verschmelzen hier zu einer untrennbaren Leistungseinheit, ohne die eine sichere Flugdurchführung nicht möglich ist.

Meine besondere Herausforderung: Single Pilot Operation und Self-Management

Paro dürfen weltweit nur 8 Piloten mit einem Flugzeug wie dem A319/320 anfliegen.
Es ist der schwierigste Airport der Welt für einen Verkehrsjet.
Die Piste ist nur 2.000m lang, liegt 2.350m über dem Meeresspiegel, in einem engen Tal, umgeben von bis zu 4.500m hohen Bergen in unmittelbarer Umgebung.
Der Anflug muss nach Sicht durch Täler im Zickzack Kurs, mit großen Kurvenneigungen geflogen werden.

Der Sinkgradient der Maschine wird bis aufs letzte ausgereizt – das Können der Piloten auch.
Das Manöver muss weitgehend manuell und zum Schluss im grenznahen Geschwindigkeitsbereich geflogen werden.


Diesen Airport nutze ich im Stress- und Teamtraining nur mit einzelnen Teilnehmern, die Vorbildung im Crew-Resource-Management und in der Luftfahrt oder ähnlichen Berufen, wie Seefahrt, Flugsicherung oder Raumfahrt haben.

Samstag, 16. Dezember 2017

5 Tipps für erfolgreiches und stressarmes Arbeiten unter Druck – aus dem Cockpit

Laut einer DAK Studie nehmen sich 59% aller Befragten für 2018 vor: Stress vermeiden und abbauen!

Da habe ich gleich 5 bewährte Tipps aus dem Cockpit, wie Ihnen das erfolgreich gelingt :)

Am Ende des Videos sehen Sie die 5 „behavioral markers“ für ein richtiges workload management und eine sichere situational awareness eingeblendet, die mich die Aufgabe erfolgreich und stressfrei abschließen lassen.


Sie haben sich bei mir auch als Manager in schwierigen und anspruchsvollen Situationen ausgezeichnet bewährt!

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Als das dümmste Crew-Mitglied an Bord kam...

...der Computer.



In der Luftfahrt gab es eine Zeit, in der das ansonsten schon so erfolgreiche Crew-Resource-Management (CRM) nochmal auf eine harte Probe gestellt wurde.

Mit dem ersten voll computerisierten Cockpit im Airbus A320, Ende der 1980er-Jahre, stieg die Zahl der Unfälle durch menschliches Versagen wieder an.
Gleich 1988, bei der Vorführung des völlig neuartigen Jets auf einer Flugschau an der deutsch-französischen Grenze, verwirrten die Computer die Cockpitbesatzung derart, dass sie die Kontrolle über die Maschine verloren. Das Flugzeug rauschte in den Wald und brannte aus, 3 Menschen starben.

Die Probleme und Herausforderungen der Digitalisierung im Cockpit beschreibe ich ausführlich in einem anderen Artikel.

Und es ging so weiter. Fast jedes Jahr Abstürze durch menschliches Versagen in Computer-Cockpits. Betroffen waren fast alle Airlines.

Was lief auf einmal falsch im bisher so erfolgreichen CRM-Prozess?

Ende der 1990er-Jahre ergriff, in enger Zusammenarbeit mit der damals noch existierenden, großen US-Airline Continental, einer der Väter des CRM, der namhafte Psychologe Robert Helmreich die Initiative, um unter anderem diesem Phänomen in Computer-Cockpits auf den Grund zu gehen.

Bisher sammelte man für das Fehlermanagement im CRM hauptsächlich Daten von Zwischen- und Unfällen im damals noch jungen ASRS (Aviation Safety Reporting System), wertete diese präzise aus und entwickelte daraus Empfehlungen und Anweisungen für die Luftfahrt.

Schon immer war die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA eng in die CRM-Entwicklung involviert, so auch bei der Gestaltung und Weiterentwicklung des ASRS.
Also war es schon fast selbstverständlich, dass auch jetzt, mit dem neuen Projekt der Wissenschaftler, die FAA von Anfang an mit im Boot saß und dem Projekt offiziellen und finanziellen Schub verlieh.

Es war die Geburtsstunde des LOSA. Die Abkürzung steht für Line Operations Safety Audit und ist ein weiterer Meilenstein in der Luftfahrtsicherheit (Qualität).
Damit entwickelte sich aus dem Fehlermanagement das TEM (Thread an Error Management). DER Verdienst des LOSA.
Man wollte sich in Zukunft nicht nur mit gemeldeten Fehlern aus dem ASRS zufriedengeben, sondern Daten über mögliche Gefahren sammeln, die (noch) zu gar keinem Fehlerreport oder Unfall geführt haben.

Prof. Helmreich und sein Weggefährte Dr. James Klinect gründeten für das LOSA an der Universität Austin (TX) ein eigenes Institut. Es sammelt Daten über einen definierten Zeitraum im ganz normalen Flugbetrieb von Airlinern und wertet diese aus.
Unterstützt werden diese Audits jeweils von ganz oben, der FAA sowie den CEOs der großen Airlines.

Folgende wesentliche Voraussetzungen sind für den Erfolg und die Akzeptanz von LOSA bei den Crews nötig:
  • Nicht das einzelne Crew-Mitglied soll im Handeln beobachtet werden, sondern der Handlungsablauf der gesamten Crew im Rahmen der festgelegten Verfahren.
  • Die Daten werden streng anonym gesammelt und haben keinerlei negative Auswirkungen oder Folgen auf das einzelne Crewmitglied oder die Airline.
  • Speziell ausgebildete, auf die LOSA-Datensammlung trainierte Flugkapitäne nehmen diese Erfassung unkommentiert vom „Jump-Seat“ wahr.
  • Die Erkenntnisse daraus sind öffentlich zugänglich.
  • Das Audit hat einen definierten Zeitraum über maximal einige Wochen.
Betrachtet wurden alle Prozesse im Cockpit, die mit einem Flug in Zusammenhang stehen.

So auch die Kommunikation mit der Flugleitstelle (ATC) und die Interaktion mit den Bordcomputern.

Die Daten werden vor der Auswertung nochmal von Spezialisten der Airline und Hersteller verifiziert. Es sind reine Daten aus Human Factors, keine technischen Daten.

Denn: Human Errors waren zu 80 % die Ursache von Flugzeugkatastrophen.

Die Datenflut aus dem normalen Flugbetrieb und ihre sehr sorgfältige Auswertung brachten dem CRM nochmals sehr wertvolle Ergänzungen und komplett neue Erkenntnisse.

Das betrifft vor allem die Zusammenarbeit von Menschen mit Computern.

Damit wurden unter anderem zwei entscheidende Irrtümer in der Entwicklung von Hard- und Software aufgedeckt und korrigiert.
Beide waren Hauptursachen von Flugzeugkatastrophen mit vielen Toten:
  • Der Mensch muss sich nicht dem Computer anpassen, sondern der Computer dem Menschen.
(Diese Usability-Erkenntnis deckt sich zu 100% mit den Erkenntnissen von Don Norman und Jakob Nielsen, siehe meinen Artikel vom Juli 2017)
  • Der Computer besitzt keine Intelligenz, auch keine künstliche – egal wie hoch er entwickelt ist! Computer sind dumm, so eine deutliche Überschrift im LOSA.
 Computer können weder Absichten erkennen noch die Situationsübersicht haben. 
Computer sind von Sensoren abhängig, die den menschlichen Sinnen nicht mal annähernd das Wasser reichen können.



Das aus dem LOSA entstandene Schema des Thread and Error Managements (TEM) zeigt, wie heute das Sicherheitsmanagement in der Verkehrsluftfahrt funktioniert.
Es hat Mensch und Computer im Cockpit zu einer einzigartig fehlerarmen Zusammenarbeit und Effizienz geführt.

LOSA könnte ein Vorbild für jedes Qualitätsmanagement sein und Unternehmen sowie Kliniken neue Welten eröffnen.

In den USA ist man in Kliniken schon weit fortgeschritten damit. In Europa, und speziell in Deutschland, steckt das Thema noch in den Kinderschuhen.
In Unternehmen ist es, bis auf wenige Ausnahmen, überhaupt noch nicht angekommen.

Das Wissen existiert und ist jedermann öffentlich zugänglich, seit fast 20 Jahren.

Gerade bei den schnell wachsenden Herausforderungen der Digitalisierung kann die Luftfahrt ein exzellentes Vorbild sein.

Denn: setze Sicherheit=Qualität und der Transfer ist fast 1:1 möglich.

Quellen:

Kanki, B. G., Helmreich, R. L., and Anca, J. (2010) Crew Resource Management, Second Edition, Elsevier, Amsterdam.

Donnerstag, 7. Dezember 2017

Fehler sind die Lehren des Lebens

Als Manager-Trainer und Coach habe ich es mir auferlegt, mich selbst nicht nur ständig weiterzubilden, sondern regelmäßig meine Fehler zu analysieren um dadurch mein Selbstbild zu überprüfen.
Als Verkehrspilot geschieht das sowieso mehrfach im Jahr von Amts wegen.
Als Trainer jedoch brauchen Sie Disziplin, das immer wieder zu machen.
Neben der jährlichen Überprüfung meiner Methode und Fähigkeiten durch Dritte (EASA zertifizierte Human-Factor Spezialisten aus der Verkehrsluftfahrt) mache ich alle 2 Monate zusätzlich einen „Selbsttest“ um mein eigenes Fehlermanagement zu praktizieren.

Am 6. Dezember 2017 teste ich, wie ich selbst mit Stress umgehe und ob das noch den hohen Anforderungen im Crew-Resource-Management entspricht.
Dazu setze ich mich einer Extremsituation im Simulator aus, die ich per Video aufzeichne.

Normalerweise zeige ich das niemandem, heute mache ich mal eine Ausnahme ;)


Der Anflug auf Paro/Bhutan mit einem Airbus ist das schwierigste, was ich je mit einem Airliner gesehen habe.
Es gibt nur eine Handvoll Piloten, die für die heimische Fluggesellschaft in Bhutan so etwas dürfen und können. Sie fliegen mit einem Airbus A319 dort unter Sichtflugbedingungen an.
Ich habe es heute erstmals mit einer A320 gemacht und mich darauf theoretisch, anhand der Karten, gut vorbereitet.




Aber, ich kenne die Gegend in diesem bis zu 6.000m hohen, mächtigen Himalaya-Massiv nicht aus eigener Erfahrung.

Außerdem war ich „single pilot“ unterwegs, also alleine.

Dadurch geriet ich massiv unter Stress und machte einige Fehler, darunter einen Kapitalfehler – ich flog im Sinkflug ins falsche Tal ein.
Ich verlor teilweise die Situationsübersicht im Hinblick auf die Position.
Im Audiokommentar zum Video analysiere ich meine Fehlhandlungen und Sie sehen, wie ich mich mit gezieltem Stressmanagement aus dieser, im Ernstfall tödlichen Umklammerung wieder befreie.

Dienstag, 5. Dezember 2017

Streiten denn Piloten nie?

Diese Frage wird mir von Führungskräften in Seminaren häufig gestellt, wenn die Elemente „Entscheiden“ und „Führen“ im Crew-Resource-Management (CRM) behandelt und trainiert werden.



Meine Antwort lautet:

Dann wären Sie ja Übermenschen ;)
Crews gehen nur anders mit Konflikten um.
Das „Geheimnis“ heißt FOR-DEC.

So kann der Satz „lass uns doch bitte FOR-DEC machen“ dem 1. Offizier oder Chef der Kabine die Tür für einen Einwand gegenüber dem Kapitän öffnen, ohne eine Provokation in einem hierarchischen Verhältnis zu riskieren, wenn wirklich mal zwei Meinungen gegeneinanderstehen.
Das klappt auch unter Zeitdruck gut, denn alle Besatzungsmitglieder sind im Umgang mit dem Entscheidungsfindungs-Modell FOR-DEC geschult und trainiert.

Die letzte Entscheidung liegt natürlich nach wie vor beim Kapitän. Sie fällt dann – nach dem FOR-DEC-Prozess, in fast allen Fällen in Übereinstimmung mit den Crewmitgliedern aus.

Besteht kein akuter Zeitdruck, so gibt es ergänzend noch den „Zaubersatz“:

„Was halten Sie für angemessen?“

So kann unter der Moderation des Kapitäns ein vielleicht bisher nicht erkannter, dritter Weg gefunden werden, der alle Ansichten berücksichtigt, ohne einen nachteiligen Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner einzugehen. Es wird kein ungeklärter Konflikt hinterlassen, der im Krisenfall die Kommunikation erheblich behindert.

Ich habe diese Situation im Cockpit und in Unternehmen mehr als einmal erlebt.

Das „Sprit“-Beispiel:

Vor dem Rückflug von Lanzarote nach Hannover ging es darum, wieviel Kraftstoff getankt werden sollte.
Um das zulässige Startgewicht bei kräftigem Seitenwind auf der für diesen Jet kurzen Startbahn nicht zu überschreiten, schlug ich als Kapitän vor, nur knapp über der gesetzlichen Mindestreserve zu tanken. So konnten wir alle gebuchten Passagiere und die vorgesehene Fracht mitnehmen. Die Wetterlage war überschaubar und ich hatte auf der Route jahrelang Erfahrung gesammelt.

Mein sehr junger 1. Offizier sagte höflich aber klar, dass er die Menge für zu knapp halte, da bei einer eventuell höheren Gegenwindkomponente der Kraftstoff nicht sicher reiche.

Er hatte Bedenken, ich würde ein erhöhtes Risiko eingehen, um die wirtschaftlichen Vorgaben der Airline einzuhalten.
Er kannte mich ja nicht und hatte zu diesem Thema wohl schon schlechte Erfahrungen gemacht.
Ich konnte seine Bedenken nicht so einfach zerstreuen.

Nun hatte ich zwei Möglichkeiten:
  1. Ich bin der Kapitän und entscheide so, fertig!
  2. Die Frage stellen: Was halten Sie für angemessen?
Ich entschied mich für 2., denn an einer miesen und wortkargen „Sie sind der Chef“-Stimmung im Cockpit war ich aus erwähnten Gründen auf keinen Fall interessiert.
Nun wollte ich aber auch nicht noch mehr tanken, da der Ärger bei zurückgelassenen Passagieren oder Fracht erheblich ist und nicht zur Kundenzufriedenheit beiträgt.

Was nun?

Ich suchte nach einer dritten, bisher nicht berücksichtigten Variante, die alle Bedürfnisse unter einen Hut bringt.
So kam ich auf den Vorschlag, die vorgesehene Menge zu tanken, den Kraftstoffvorrat auf dem Flug jedoch doppelt so häufig zu checken wie vorgeschrieben.
Beim geringsten Anzeichen, dass der Sprit eng würde, machen wir rechtzeitig, etwa auf halber Strecke, einen Zwischenstopp zum Nachtanken.

Um glaubhaft zu sein, ließ ich Sevilla als Ausweichflughafen demonstrativ mit in den Flugplan eintragen. Der Flugplan ist für jeden Trip eines Verkehrsflugzeuges bei der Verkehrskontrolle einzureichen und von ihr zu genehmigen.

Damit war mein Copilot sichtlich zufrieden – Atmosphäre gerettet.
Ich ging zwar das Risiko einer knapp 10.000 € teuren Zwischenlandung ein, aber nach meiner Erfahrung war diese Wahrscheinlichkeit sehr gering.
Wir landeten ohne Verspätung, nach rund 4 Stunden Nonstop-Flug in Hannover.

Diese Lösung war jetzt auf dieser Strecke mein Favorit in der dann und wann mal auftretenden Spritdiskussion.
Auf über 100 Flügen musste ich zweimal zu meinem Wort stehen und in Sevilla landen.
Das vertrat ich dann auch als „Kapitäns-Entscheidung“ ohne Zögern mit guten Argumenten bei der Flugleitung, denn: ich war der Kapitän und trug die Verantwortung nach oben.



So brachte ich alles unter einen Hut:
den Einwand der jungen Pilot/innen und den Wirtschaftlichkeitsanspruch der Airline, ohne durch „atmosphärische Störungen“ im Cockpit die Sicherheit zu gefährden.

Denn: genau durch solche Kommunikations-Barrieren sind vor dem CRM zahlreiche fatale Unfälle passiert.

Montag, 27. November 2017

Training in der Luftfahrt hat eine einzigartige Qualitätssicherung

Zunächst eine kleine Geschichte:


Beim Thema Emergency in der Luftfahrt fällt den meisten Menschen immer sofort etwas Technisches ein.

Dabei ist auch der „medical emergency“ gar nicht so selten wie man denkt.
Auch dafür wird im Crew-Resource-Management das Team im Flugzeug trainiert.

Besonders gefordert wird die Cockpitcrew dann, wenn einer der Piloten betroffen ist.
Hier ein Fall aus September in den USA (deutsche Übersetzung durch mich):



„Wir sanken an einem schönen klaren Früh-Herbsttag in Richtung Denver.
Ich war als erster Offizier der Pilot Flying. Mit meinem Captain hatte ich während des ganzen Fluges von Austin/Texas eine normale Konversation.
Die Flugverkehrskontrolle (ATC) kündigte mir einen Radar geführten Anflug auf die Landebahn 16L an während wir 12.000 Fuß (4.000m) im Sinkflug passierten.
Als ich einen Blick nach links auf meinen Kapitän warf, sah ich verwundert, dass er eine Brechtüte vor sein Gesicht hielt.

Er sagte, dass ihm plötzlich sehr übel sei, lehnte sich nach vorne und übergab sich.
Der Captain sah total bleich aus, schwitzte, presste seine Lippen zusammen und fasste verkrampft an seine Brust.
Ich dachte sofort an einen Schlaganfall oder Herzinfarkt.
Sofort meldete ich ATC einen medizinischen Notfall (medical emergency) und erbat einen Direktanflug nach Sicht, auf dem kürzesten Weg, zur Landebahn 16L.
Ich brauchte nur 2,5 Minuten bis in den kurzen Endanflug, die mir allerdings vorkamen wie eine Ewigkeit.
Plötzlich hörte ich den Captain sagen: 500 Fuß, Anflug stabil.
Ich schaute kurz rüber und fragte überrascht: Du bist wieder da?
Doch er war orientierungslos und antwortete verwirrt.
Nach dem Aufsetzen rollte ich mit höchst möglicher Geschwindigkeit über den Schnellrollweg zum nächstliegenden Gate, wo der Krankenwagen bereits wartete.

Nach zwei Tagen Krankenhaus und vielen Tests war klar, dass der Captain sich einen extrem seltenen Magen Virus eingefangen hatte, der in kürzester Zeit neurologische Ausfälle und Verwirrtheit auslöst, ähnlich wie ein Schlaganfall.
Nach wenigen Wochen saß er wieder völlig gesund im Cockpit.“

Der erste Offizier und ATC haben alles richtiggemacht, so der knappe Kommentar der US Flugunfallbehörde NTSB dazu.

„First fly the aircraft“ war die eiserne Regel nach der der erste Offizier gehandelt hat.

Alles andere hätte viele Menschenleben gefährdet, zu viel Zeit gekostet und er wäre in die Gefahr geraten, die Situationsübersicht im Cockpit zu verlieren – war er ja plötzlich alleine auf sich gestellt.
Die NTSB untersucht auch solche Zwischenfälle genau und liest dazu u.a. den Flugdatenschreiber und Voicerecorder aus. Dabei geht es nicht darum, dem ersten Offizier ein Fehlverhalten nachzuweisen, sondern um aus dem Fall zu lernen, ggf. die Verfahren anzupassen und vor allem anderen Piloten über das ASRS (Aviation Safety Reporting System) die Situation für eigene Lernzwecke zugänglich zu machen.




Die mit diesen Daten und Ereignissen genährte Qualitätssicherung im
Crew-Resource-Management basiert auf drei Säulen:

  • 
Die freiwilligen, bestrafungsfreien Meldesysteme (z.B. das ASRS der NASA) für relevante Zwischenfälle in der Luftfahrt sammeln weltweit immer mehr und präzisere Daten aus dem Real-Luftverkehr. Sie sind allen an der Luftfahrt beteiligten Piloten, Unternehmen, Behörden und Trainingsinstitutionen zugänglich.
  • Die Standardverfahren (SOPs) werden mit diesen Daten und Erkenntnissen der realen Luftfahrt entwickelt und stetig verbessert.
  • Der Integration von Teamleistung in die Abläufe der Verkehrsluftfahrt sowie ihrer hochprofessionellen und komplexen Anforderungen wird höchste Aufmerksamkeit gewidmet. Sie hat in der Ausbildung und im Training einen sehr hohen Stellenwert.

Ausbildung, Training und Prüfungen von allen an der operativen Luftfahrt beteiligten Menschen sind nur dann nützlich und wertvoll, wenn ihre Richtigkeit und Erfolgsquote ständig überprüft und mit der Realität abgeglichen werden.
Dazu leisten alle Beteiligten durch ihre Berichte in die ASR-Systeme einen unschätzbar wertvollen Beitrag.

Dabei haben die Airlines im AQP (Advanced Qualifikation Program) die Möglichkeit eigene, auf Ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittene, behördlich anerkannte Trainings zu entwickeln.

Das erstklassige Fehlermanagement in der Verkehrsluftfahrt ist die Essenz und gleichzeitig die Kür eines richtigen, erfolgreichen und praxisbewährten Führungsmodells, dem
Crew-Resource-Management.


Quellen:


NASA ASRS

Kanki, B. G., Helmreich, R. L., and Anca, J. (2010) Crew Resource Management, Second Edition, Elsevier, Amsterdam.

Sonntag, 19. November 2017

Fatale Fehlerketten sicher vermeiden geht nur mit qualifiziertem Training

10 Tage im Jahr bin ich selbst im Training und Checks, auch in Sachen Crew-Resource-Management.
Dabei begeistert mich immer wieder die hervorragende Methode der Training-Designs. Die Trainings und Checks werden ständig nach dem Advanced Qualification Program (AQP) weiterentwickelt.
Es dient auch als Vorlage für unsere Training-Designs in Manager-Seminaren und Trainings im Cockpit.
In meinem nächsten Artikel berichte ich über die Grundsätze dieser in der Welt bisher einzigartigen Programm-Methode in der Luftfahrt.
Nur so bin ich in der Lage, auch in relativ hohem Alter, selbst ohne Copiloten, in hochkritischen Krisensituationen fatale Fehlerketten und stressbedingte Überforderung sicher zu vermeiden.


Was hat das mit Managern zu tun?


Folgender erlebter Fall in einem Unternehmen:

Ein Großkunde mit über 20% Umsatzanteil fällt wegen Insolvenz plötzlich aus und hat zudem noch größere offene Rechnungen.

Im Cockpit habe ich bzw. die Crew wenige Minuten die Sache in den Griff zu bekommen, im Unternehmen wenige Tage bis Wochen.
Das Handlungsprinzip jedoch ist das gleiche...

Samstag, 11. November 2017

Was ist eine flache Hierarchie?

Die Frage ist simpel, denken Sie?
Leider wird sie jedoch oft unvollständig beantwortet und behandelt.



Nur weil Hierarchie-Ebenen wegfallen, ist die Hierarchie zwischen Führungskraft und Mitarbeitern noch lange nicht flach.


Hierarchien haben nicht nur einen organisatorischen Ansatz

Das Crew-Resource-Management (CRM) hat die Elemente "Führen" und "Hierarchie" im Kern erforscht und Antworten gegeben.
Das Augenmerk richtet sich dabei nicht auf die Organisation der Crew, sondern auf das Verhältnis der Beteiligten untereinander.
Letztlich kam es darauf an, aus dem „Helden der Lüfte“, dem Kapitän, einen effizienten und anerkannten Teamführer zu machen.
Nur damit konnte man die Ursachen für fatales Teamversagen (Auslöser von über 80% aller Flugzeugabstürze) erfolgreich abstellen.
So war vor dem CRM im Cockpit die Hierarchie zwischen Kapitän, 1. Offizier und Crew oft so steil ausgeprägt, dass jede offene Kommunikation unmöglich wurde.
Das Teamversagen im Flugzeug war durch falsches Fehlermanagement definiert, ausgelöst durch eine Hierarchiebarriere.
Diese Barriere blockierte nicht nur die Kommunikation, sie führte auch zu falschen, bauchgesteuerten Entscheidungen, erhöhtem Stress und eben dann und wann zum tödlichen Ende einer Fehlerkette.

In meinen Trainings und Seminaren erkläre ich es ja gerne einfach und auf Deutsch ;)




„Eine funktionierende, flache Hierarchie erkennen Sie in der Praxis, wenn Meinungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter angstfrei und vertrauensvoll ausgetauscht werden.

Fehler werden offen besprochen, ohne Furcht vor Bestrafung und Suche nach dem Schuldigen. Das gilt auch für die Fehler der Führungskraft selbst!
Die Führungskraft befindet sich mit den Geführten in einer Atmosphäre der psychologischen Sicherheit.“

Quellen:

Kanki, B. G., Helmreich, R. L., and Anca, J. (2010) Crew Resource Management, Second Edition, Elsevier, Amsterdam.

Hackman, J. R. (2002) Leading Teams: Setting the Stage for Great Performances, Harvard Business Press, Boston, Massachusetts

Donnerstag, 9. November 2017

You are looking for human error? Then make it human!

Das großartige an der Analyse von Luftfahrtunfällen ist die völlig offene und schonungslose Auseinandersetzung mit den Ereignissen.
In einer digitalisierten Welt sind auch hocherfahrene Unfallermittler nicht davor gefeit, den Human Factor "raus zu rechnen".
Sullenberger dazu: "You are looking for human error? Then make it human"
Die völlig offen gelegte Untersuchung der Hudson Landung von Chesley Sullenberger und seiner Crew zeigen das.
Hier die authentische Szene aus dem Film:


Sullenberger und seine Crew haben mit dem Führungs- und Arbeitsmuster des Crew-Resource-Management (CRM) eine außerordentliche Leistung vollbracht.


Die Erkenntnisse aus diesem Unfall stehen allen Flugzeugbesatzungen, Airlines und Flugschulen zur Verfügung.
Es gab bis zu diesem Tag kein Training und kein Verfahren für so einen Zwischenfall. Jetzt gibt es das.
So geht richtiges Qualitäts- und Fehlermanagement.

Auch die in den USA nach einem ähnlichen Muster wie dem CRM trainierten, gewerblichen Schiffscrews und Rettungskräfte haben herausragendes geleistet.
In nur 24 Minuten nach dem Mayday-Ruf war die Rettung aller Passagiere sichergestellt.

In den USA und Kanada sind mittlerweile auch Kliniken verpflichtet, die Elemente des Crew-Resource-Management im QM verbindlich einzuführen.
Die erste Studie* darüber zeigt außerordentlich positive Ergebnisse bei einer enormen Effizienzsteigerung.

*Moffatt-Bruce, S. D., Hefner, J. L., Mekhjian, McAlearney, S., Latimer, Ellison, and McAlearney. (2015) What Is the Return on Investment for Implementation of a Crew Resource Management Program at an Academic Medical Center, American Journal of Medical Quality.

Mittwoch, 1. November 2017

Der Mensch braucht kontrollierbaren Stress

Diese Erkenntnis ist recht neu!

Kontrollierbarer Stress macht nachweislich glücklicher und führt zu einem erfüllteren und zufriedenerem Leben.
Doch warum reden wir dann immer über Stressvermeidung und stark zunehmenden fehlerhaftem Handeln unter Stress?
Wir meinen hier immer den unkontrollierten, erzwungenen Stress.
Diese Unterscheidung basiert auf neuerer, neuro-wissenschaftlicher Erkenntnis.
Bis 1999 vertrat die Neurowissenschaft die Auffassung, dass sich Gehirnzellen im Erwachsenenalter nicht mehr neu bilden können.
Das ist heute klar widerlegt. Der Mensch kann bis ins hohe Alter neue Gehirnzellen bilden und die dazugehörenden Verknüpfungen ausbilden.
Bei diesem Vorgang spricht man von Neuroplastizität.

Neue Hirnzellen und die Verknüpfungen dazu bilden sich aber nur, wenn das Gehirn auch entsprechend gefordert und trainiert wird.
Dosierter und kontrollierbarer Stress in freiwilligem Rahmen fördert das Zellwachstum erheblich und erhält nicht nur die geistige Leistungsfähigkeit, sondern erhöht auch bei regelmäßigem Training dieser Art die Stressresistenz. Der Nachweis darüber wurde in vielfachen Versuchen und Untersuchungen erbracht.
Erzwungener, unkontrollierbarer Stress jedoch lässt das Gehirn Bereiche zum überlegten Handeln still legen, um sich ganz auf das körperliche Überleben in der Stresssituation einzustellen.
Daher machen Menschen bei derartigem Stress, je nach Komplexität der Tätigkeit, 11 bis 1.000-mal so viel Fehler wie unter normalen Umständen.

Diese Erkenntnis macht sich natürlich auch die Verkehrsluftfahrt zunutze und trainiert ihre Besatzungen im Abstand von bis zu nur 3 Monaten in Simulatoren in kontrollierbaren Stresssituationen.
Dadurch wächst auch bei den Crews der Verkehrsflugzeuge die Stressresistenz bei unvorhersehbaren Ereignissen deutlich.

Im folgenden Video war es das Ziel, den Stress des Cockpit-Teams soweit ans Limit zu fahren, dass die Aufgabe noch sicher bewältigt werden konnte. Es durfte kein Kontrollverlust (lost of awareness) entstehen.
Die Pilotin (leitende Klinikärztin) hat noch nie vorher in einem Flugzeugcockpit gesessen, jedoch zuvor einmal Kollegen bei einem Flug zugeschaut. Der rechts sitzende "Pilot Monitoring" hatte bereits ein Airline-Simulator-Training hinter sich.
Der Flug ging von Braunschweig nach Hamburg.
Mit richtiger und offener Kommunikation, klarer Rollen- und Aufgabenverteilung, angepasstem Zeitmanagement und geeigneten Standardverfahren kann eine Führungskraft den Stresslevel in ihrem Team gut steuern.
Nur positiver Stress hat einen nachhaltigen Lerneffekt, steigert die Leistungsfähigkeit und erhält die Motivation.


In unseren Trainings habe ich eine Methodik, bei der ich im professionellen Airline-Simulator einen kontrollierbaren Stresspegel sehr realistisch und individuell auf den Teilnehmer ausgerichtet aufbaue.
Die Wiederholung dieser Szenarien erhöht schon in diesem einen Training Ihre Stressresistenz.
Es ist eine Art Gehirnjogging, das Hirnzellen und Verknüpfungen ausbildet, die Ihr Gehirn leistungsfähiger machen.
Sie lernen zudem Ihre Stressgrenzen kennen und Werkzeuge aus dem
Crew-Resource-Management anzuwenden, die Sie im positiven Stressbereich halten.

Montag, 30. Oktober 2017

Sind Modelle und Trainings für Team-Effizienz auch wirksam?

In der Forschung zum Crew-Resource-Management (CRM) wurde von Anfang an nicht nur großen Wert auf eine passende Lehrmethode gelegt, sondern auch auf die Evaluierung der Trainings und Methoden.



Zugleich erkannten die Wissenschaftler eine große Schwäche der bisher angewandten Führungs- und Arbeitsmodelle: ihre Wirkung war quasi nicht belegbar.
Das konnten und wollten die Verantwortlichen nicht akzeptieren.

Dafür hatte man den Vorteil, dass mit den Flugsimulatoren und dem Line Oriented Flight Training (LOFT) eine gut definierte und sehr realistische Umgebung für die Teamforschung existierte.
So konnte die Wissenschaft einzelne Verhaltensweisen für Teamführer und Mitglieder (behavioral markers) isolieren, die beide Bedingungen erfüllten:
  1. relevant für die Sicherheit (=gute und effiziente Teamarbeit)
  2. gut zu beobachten, auch von Nicht-Wissenschaftlern (=Prüf-Kapitäne)

Hier ein Beispiel für den Bereich „workload management & situation awaress“ (Arbeitslastverteilung & Situationsbewußtsein):

  • Vermeidet den „Tunnelblick“, ist sich der Faktoren - wie Stress - bewusst, die seine Aufmerksamkeit reduzieren.
  • Überwacht die die Arbeit umgebenden Faktoren (in der Luftfahrt z.B. Wetter, Flugzeugsysteme, Instrumente und Funk). Teilt relevante Informationen sofort mit.
  • Bleibt gedanklich seiner Ist-Situation voraus ("5-Minuten vor dem Flugzeug"-Regel), um erwartete und vor allem unerwartete Ereignisse schnell und richtig einordnen und bearbeiten zu können.
  • Stellt durch mündliche Kommunikation sicher, dass sein Team (Crew) seine Pläne kennt und versteht.
  • Die Rollen- und Arbeitsverteilung im Team ist klar kommuniziert, verstanden und rückbestätigt.
  • Stellt sicher, dass Tätigkeiten in der Prioritätenliste richtig eingeordnet und bearbeitet werden.
  • Erkennt und meldet Arbeitsüberlastung sowie Verlust des Situationsbewusstseins bei sich und seinen Teammitgliedern ohne Verzögerung.
  • Plant ausreichend Zeit für das Programmieren automatisierter Vorgänge vor dem Start der entsprechenden Abläufe ein.
  • Stellt sicher, dass alle Teammitglieder ständig über Veränderungen im Status oder in den Abläufen informiert sind.
  • Erkennt potentielle Gefahren durch Ablenkung und Unaufmerksamkeit (durch automatisierte Abläufe begünstigt(!)), für sich und sein Team (Crew). Gestaltet angemessene Vorbeugemaßnahmen dafür.

Aus diesen Verhaltensweisen entwickelten die Forscher in enger Zusammenarbeit mit den Trainings-Designern und Prozess-Spezialisten konkrete Regeln und Verfahren für die Teams in Cockpit und Kabine.
Mittlerweile sind in der 6. Stufe des CRM fast alle Bereiche der operativen Luftfahrt inklusive der Fluglotsen in dieses enorm erfolgreiche Führungs- und Arbeitsmodell integriert.

In der Forschung hat man zudem festgestellt, dass Programme und Methoden, die konkrete Verhaltensweisen beschreiben, eine wesentlich bessere Wirkung auf Team-Prozesse und deren Ergebnisse haben, als abstrakte Konzepte.

Dienstag, 24. Oktober 2017

Sion in den Schweizer Bergen – die neue Kür für Manager

Das Setting:

Der Anflug auf Sion im Wallis ist die schwierigste Kategorie, die mit einem Airliner wie einer A320 überhaupt geflogen werden kann. Anders als z.B. auf Madeira sind es hier nicht wenige Minuten, die fliegerisch schwierig sind, sondern ein langer Cocktail eines komplexen Anflugprozesses, der keine Fehler verzeiht.
6 Grad Gleitweg (fast doppelt so steil wie normal) aus 16.000 Fuß, 5 Meilen Sichtanflug in Schlangenlinien durchs Tal im Finale (der Instrumentenanflug IGS geht bis ca. 5 Meilen vor der Bahn) und nur knapp 2.000 m Pistenlänge. Hier wird das Flugzeug in der Gewichtsklasse eines Mittelstreckenjets bis an die Grenze aerodynamisch ausgereizt. Dabei sind exzellentes Stressmanagement und ständiges Situationsbewußtsein bei präzisem Einhalten der Verfahren überlebenswichtig.

Auf den ersten Blick läuft hier alles easy nach Plan.

Auf den zweiten Blick waren Entscheidungsfindungen nach FOR-DEC in vier kritischen Momenten gefragt:

  1. Beim Erreichen des Landekurssenders (Localizer) und Umschalten auf den Anflugmodus fiel das Sendesignal kurz aus.
    Meine Entscheidung:
    Anflugroute nach Vorgaben des Navigationscomputers fortsetzen, da noch kein Sinkflug eingeleitet und noch einige Sekunden Zeit für eine finale Entscheidung (Abbruch des Anfluges) war.
  2. Nach Erreichen des Sinkflugpunktes (Initial Approach Fix) fiel der Gleitwegsender aus bzw. sein Signal war nicht zuverlässig. 
    Meine Entscheidung:
    Anflug nach alternativer Methode mit manuell gerechneter Sinkflugrate fortsetzen und Höhenchecks an den entsprechenden Punkten der Anflugkarte penibel durchführen.
  3. Das Instrumentenanflug-Minimum von 5900 Fuß war wegen Wolken nur äußerst knapp einzuhalten.
    Meine Entscheidung:
    da ich 100% sicher auf Kurs und meine Hindernisfreiheit bis 4500 Fuß garantiert waren, setzte ich den Anflug bis zu einer Sicherheitshöhe auf 5200 fort.
  4. Durch das Manöver unter 3. war ich im Finale im Sichtflugteil zu hoch.
    Meine Entscheidung: automatische Schubkontrolle und Autopilot sofort abschalten und manuell maximal möglich (unter Einhaltung der Sicherheitsmarken) korrigieren um frühestmöglich einen stabilen Endanflug sicherzustellen. Erschwert wurde das durch mäßige Scherwinde und Turbulenzen.

Was ist an einer solchen Teamübung im Rahmen des Crew-Resource-Management (CRM)-Trainings so wertvoll?

  1. Es funktioniert nach einem oder zwei Trainingstagen nur im „echten“ Team unter genauer Einhaltung der trainierten Voraussetzungen.
  2. Es erfordert eine Kommunikation im Team nahe 100 % nach den Regeln des CRM.
  3. Striktes Stressmanagement zur Erhaltung des Situationsbewußtseins (situational awareness) ist ein „must have“.
  4. Entscheidungsfindung unter Druck (FOR-DEC) muss hier in kürzester Zeit sicher ablaufen.
  5. Im Team muss es vollkommene Rollenklarheit und Rollendisziplin geben (Pilot Flying, Pilot Monitoring, Berater des PF und PM, Beobachter: Warnzeichen).

Gibt es überhaupt Teams in einem Manager-Training, die mehr vertragen als Innsbruck oder Madeira?

Ja, etwa 5 % der Teams im Training können das leisten. Deshalb entwickle ich ständig neue Szenarien mit veränderten Anforderungsprofilen.
Hier kommt es nicht auf 3-7 Minuten Höchstleistung an, sondern auf eine präzise Performance über mehr als 25 Minuten auf höchstem Level unter sehr komplexen Bedingungen.

Ist ein solches Szenario auch für ein Einzelcoaching geeignet?

Ja, im Stressmanagement-Coaching. Es hält ein sehr hohes Belastungsniveau über einen langen Zeitraum.
Im fortgeschrittenen Verlauf des Coachings kann das eine Option werden, damit der Teilnehmer am Maximum gefordert bleibt.

Macht ein solches Szenario bei Flugangst-Seminaren Sinn?

Nein, da liegt der Focus auf dem Kennenlernen, Verstehen und gewinnen von Vertrauen in das Flugzeug und seine Besatzung. Diese Übung ist dazu zu komplex und zu lang.

Dienstag, 3. Oktober 2017

Führen aus der Vorgesetztenperspektive - es fehlt der Spiegel

Wie beurteilen Sie die Perspektive der Ihnen hierarchisch/disziplinar unterstellten Menschen?

Dieses Szenario ist schwer zu simulieren, schon gar nicht in der Wohlfühl-Kunst-Atmosphäre eines Seminarraumes.
Kennen Sie dabei das Problem, dass der Empfänger Ihrer Nachricht (Mitarbeiter) oft nicht das versteht, was Sie als Sender vermitteln möchten?
Kommunizieren auf unterschiedlichen Ebenen ist eine der Hauptherausforderungen zwischen Chef und Mitarbeiter.

Testen Sie das mal und erfahren Sie die Sicht des Empfängers unter erheblichem Stress (steht der Mitarbeiter häufig auch, wenn er mit dem Chef spricht).
Sie lernen in den Elementen „Kommunikation“ und „Führen“ des Crew-Resource-Managements (CRM) bei uns im Cockpit Regeln und Methoden kennen, die das klassische Sender-Empfänger Problem minimieren und zuverlässiges, gegenseitiges Vertrauen auch unter Druck aufrechterhalten.

Ich nutze diese Kommunikations- und Führungsregeln auch in Flugangstcoachings, wie Sie im folgenden Video sehen.
Die Teilnehmer verlieren ihre Flugangst, weil sie im Laufe des Coachings durch eigenes, erfolgreiches Handeln den Kontrollverlust aufgeben. Dabei fangen sie an, das Flugzeug zu verstehen und ihm zu vertrauen.
Das gelingt nur mit Kommunikation auf Empfängerebene und Führen mit den drei unbedingten Voraussetzungen: Fachkompetenz, Vertrauen und Wohlwollen.
Diese drei Elemente hat die CRM-Forschung als Kernbedingungen für eine positive Hierarchie in einem erfolgreichen Team definiert.
Nur damit gelingen die Anforderungen an alle anderen Elemente des CRM


Im Clip sehen Sie:
die Teilnehmerin fliegt, ich moderiere auf ihrer Ebene. In aller Ruhe konzentrieren wir uns gemeinsam auf das Gelingen der enorm schwierigen Landung in Hongkong Kai Tak,  jeder in seiner Rolle.
Diese Aufnahme entstand nach 3 Stunden aufbauendem Training im Cockpit mit langsam, für die Teilnehmerin fast unmerklich wachsenden Ansprüchen an die Aufgaben des Flugzeugführers.
Jede professionelle Crew würde viele Verfahrensfehler entdecken. Aus der Sicht des Profis (Sender) stimmt das, aus der Sicht der Teilnehmerin (Empfänger) nicht. Das Ziel, die Maschine sicher auf die Piste zu bekommen, haben wir trotzdem immer erreicht. Dabei spielt in dieser Konstellation die Perfektion und Verfahrensredundanz keine Rolle, sondern nur das Gelingen der Landung selbst – der Empfänger definiert den Weg, das Ziel zu erreichen.
Der Sender, in dem Fall ich auf dem rechten Sitz, ebnet diesen Weg ohne seine eigene Welt aufzuzwingen. Es hätte auch keinen Erfolg.
Für das Erlernen einer Moderationsform in der Führungsrolle mit „Nicht-Piloten“ im Cockpit brauchte ich als erfahrener Flugkapitän ein Jahr hartes Training.
Die Herausforderung dabei ist nicht nur die fliegerisch-fachliche Seite (häufige Grenzzustände des Flugzeugs), sondern den Weg der CRM-Regeln in Kommunikation, Führen, Entscheiden und Stressmanagement mit unterschiedlichen, mir vorher nicht bekannten Teilnehmern (Empfängern), möglichst optimal einzuhalten und vorzuleben.
Auch ich mache mal Fehler. Das darf den Teilnehmer aber nicht verunsichern.
Seinen Weg darf ich als Moderator und Trainer nicht verlassen, egal was kommt.



Oft stellen mir meine Kunden am Anfang die Frage, wie oft denn die Maschine bei den Übungen abstürzt. Meine Antwort ist: nie!
Ich halte den Simulator auch nicht an.
Fehler auf dem eigenen Weg des Empfängers dürfen nicht in einer Fehlerkette mit fatalem Ausgang enden. Dieses Gelingen (das Flugzeug/Firma bleibt heile) unter teils extremen Bedingungen ist Teil der Botschaft und der herausragende Erfolg des Führungs- und Arbeitsmodells Crew-Resource-Management.

Eine weitere Pflicht habe ich mir auferlegt: ich greife selbst nicht in die Rollen der Teilnehmer ein. Nur so festige ich die Rollenstabilität meiner Managercrew im Cockpit.
Stetes Vorbild und Wohlwollen schaffen Stabilität und Vertrauen, das kann nicht hoch genug bewertet werden – auch eine wissenschaftliche Erkenntnis der Leadership-Forschung im Crew-Resource-Management.

Sie können sich vorstellen, dass das im Cockpit-Training oft ganz schön spannend wird und zu vielen „Aha-Effekten“ führt.

Donnerstag, 28. September 2017

... und dann landeten sie beim Menschen

In meinen Seminaren und Vorträgen wird mir immer wieder eine Frage gestellt:

Warum hat gerade die gewerbliche Luftfahrt es geschafft, mehr als 1000-mal fehlerärmer zu arbeiten als jedes andere von Menschen beeinflussbare System auf der Welt?

Eine gute Frage! Kennen Sie die Antwort?



Obwohl ich schon seit 1980 aktiv fliege und in meiner Ausbildung zum Berufspiloten schon den Vorläufer des Crew-Resource-Management (CRM) verinnerlichte, habe ich nie wirklich intensiv darüber nachgedacht.

Erst nach der Idee vor fast 4 Jahren, auch Nicht-Piloten in das hoch komplexe Cockpit eines Verkehrsflugzeuges zu setzen um dort die wesentlichen Erkenntnisse des CRM zu visualisieren und für den Seminar-Teilnehmer zu einer fürs (Berufs)Leben einprägsamen und unvergesslichen Erfahrung zu machen, fing ich an, über diese eigentlich simple Frage nachzudenken.

Mein erster Gedanke war:

Eigentlich müssten ja Raumfahrt und die Medizin genauso fehlerarm arbeiten.
Zum einen geht es auch um Menschenleben und zum anderen stecken in beiden „Branchen“ enorme Forschungs- und Entwicklungsgelder.
So gehen die Realisierungskosten für ein Space Shuttle weit über die eines Verkehrsflugzeuges hinaus.
Doch diese Annahme ist falsch.
In der Raumfahrt beträgt die einkalkulierte Verlustquote 4% und in der Medizin liegt die fatale Fehlerquote bei 0,1%.
Eine Airline fliegt heute jedoch mit einer Verlustquote von unter 0,000001%, Tendenz immer besser werdend.

Die Antworten fand ich dann in der Literatur und Wissenschaft über die Entstehung des CRM, die meine Generation Pilot in den 90ern „on the job“ miterlebt hat.
Noch gut erinnere ich mich an fatale Unfälle renommierter Airlines in den 70ern, wie der Lufthansa Unfall in Nairobi oder Paninternational in Hamburg mit der spektakulären Bruchlandung auf der A7 bei Hasloh.

Dabei schien alles so perfekt in der Entwicklung der Luftfahrt. Endlich gewannen die Flugzeuge mit der Einführung des Turbinentriebwerkes eine nie da gewesene Zuverlässigkeit im Antrieb.
Die Navigation wurde bei „Sicht Null“ bis zur automatischen Landung möglich und die Redundanz der technischen Flugzeugkomponenten war bereits Ende der 80er nahezu ausgereift.

Und trotzdem: Die Zahl der fatalen Unfälle in der Verkehrsluftfahrt nahm nicht ab!

Seit Anfang der 60er Jahre war jedes Verkehrsflugzeug mit einem Flugdatenschreiber und einem Stimmenrekorder im Cockpit ausgestattet. So ist es möglich und auch konsequent realisiert, jeden Unfall eines Airliners bis zur endgültigen Aufklärung zu analysieren.
Zigtausende Daten werden haarklein, oft monatelang immer wieder hin und her bewegt und die Unfallermittler fanden für jedes Flugzeugunglück in der gewerblichen Luftfahrt einen oder mehrere finale Gründe.
Man verbesserte immer wieder die Technik, die Checklisten, die Ausbildung der einzelnen Flugzeugführer, die Anforderungen an die Auswahlkriterien der Piloten und die Vorschriften zum Betrieb der Flugzeuge.

Und trotzdem: Die Zahl der fatalen Unfälle nahm nicht wesentlich ab!

Anfang der 1990er boomte die Luftfahrt mit Einführung der billigen Tickets dann so richtig und die Unfallquote stieg bei einigen Airlines sogar wieder an.

Ganz schnell hatte man die „Schuldigen“erkannt:
Die Einführung des Zwei-Mann Cockpits war es, so die Gewerkschaften und andere Lobbyisten.
Die Cockpit-Crew ist schlichtweg überlastet, so die „Experten“.
Dann die vermeintlich schlechte Wartung durch den hohen Kostendruck bei den aufkommenden Billigairlines, so andere Experten und die Medien.
Beschäftigte man sich aber mit den Unfällen, so kamen Ursachen zu Tage, die so gar nicht in das Beuteschema der „Experten“ passten.
Es waren oft sehr namhafte US Carrier oder europäische Traditions-Airlines, die betroffen waren.
American Airlines, United, Lufthansa, Swiss Air, Cross Air, Lauda Air, Korean Airlines und so weiter.
Gerade bei Korean, der Staats-Airline eines an sich wohlhabenden Industrielandes häuften sich derart die Unglücke, mit vielen hunderten Toten, dass die Gesellschaft drohte, auf den Index der „Never come back“ Fluggesellschaften zu geraten. Der wirtschaftliche und Image Schaden waren immens!
Analysierte man die Ursachen, die zum Verlust eines Flugzeuges geführt haben, ging nicht selten ein Kopfschütteln durch die Reihen der Unfall-Untersuchungs-Kommissionen.
Wie konnte es einem der erfahrensten Crews der Lufthansa passieren, zum Starten die Vorflügel zu vergessen auszufahren (Absturz einer LH 540 in Nairobi 1974)? Das ist die Kategorie Anfängerfehler.
Warum flog eine mit drei hocherfahrenen Crewmitgliedern besetzte DC 8 der United das Flugzeug sehenden Auges leer und landete kurz vor Portland Bruch in einer Vorort Siedlung?
Wieso landet eine 3-Mann Crew mit zwei erfahrenen Flugkapitänen im Cockpit einen Lufthansa-Airbus in Warschau viel zu schnell bei nasser Piste und kracht in die Böschung hinter dem Airport?
Das sind nur drei Beispiele einer langen Liste, die weder etwas mit technischem Versagen, Wetter, schlechter Ausbildung, Kostendruck oder nur zwei Mann im Cockpit zu tun haben.
Ganz im Gegenteil: Man stellte fest, dass gerade mit 3 oder 4 Mann (Frau) besetzte Cockpits wegen banaler Fehler das Flugzeug verloren.

Und jetzt komme ich zur Erklärung, warum gerade in der zivilen Luftfahrt ein komplettes Umdenken im Betrachten des Themas Sicherheit eingesetzt hat.
Der Wettbewerb der Fluggesellschaften nahm Anfang der 90er derart zu, dass eine Gesellschaft mit mehr als einem schweren Unfall in kurzer Zeit oft an den Rand des Ruins getrieben wurde.

Ein Flugzeugabsturz geht durch alle Medien, beklagt häufig viele Tote an Bord und am Boden und trägt das Leid nicht selten in hunderte Familien zugleich.
Fliegen gehört ab den 90ern zum Alltag der Menschen, auch der nicht so betuchten.
Dieses „Problem“ hat z. B. die Raumfahrt nicht. Sie gilt immer schon als sehr riskant und beklagt bei spektakulären Unfällen immer nur wenige Opfer.
Auch die Medizin hat dieses Problem (bis heute) nicht. Stirbt ein Patient oder trägt erheblichen Schaden davon, so kommt das meist gar nicht an die Öffentlichkeit. Der oder die betroffenen Ärzte mach einfach weiter und oft kommen die wahren Ursachen des „Kunstfehlers“ gar nicht raus.
Nicht so in der Verkehrsfliegerei. Alles wird ständig penibel untersucht und aufgezeichnet und – anders als im Krankenhaus – überleben oft die Verursacher des Unglücks, nämlich die Piloten, ihren Fehler auch nicht.
Das Thema Öffentlichkeit hatten wir eben schon.

Fazit:

Man musste der Sache Herr werden und an Stellen für die Ursachen suchen, die bisher nicht, oder nur rudimentär untersucht wurden.
Und so kamen Wissenschaftler zum so unliebsamen, unbequemen, nicht richtig fassbaren, nicht durch technische Eingriffe beeinflussbaren, in der Weiterentwicklung doch so langsamen und antiquierten Faktor: den Menschen.
Und ob das nicht schon schlimm und unpopulär genug war (galt doch der Pilot bis dato als der Held der Lüfte, der Unbesiegbare, der Übermensch, der Unerreichbare…), es kam noch schlimmer.
Nicht der einzelne Mensch schien das Problem allen Übels zu sein, nein, es war das Miteinander der Menschen, die ein Flugzeug bedienen und führen.
Es war totales Teamversagen.

Und es kam noch schlimmer.
Nicht nur die Cockpitbesatzung schien die Ursache allen Übels zu sein, die Kabinencrew gehörte wohl auch dazu.
Geht ja wohl gar nicht! Was hat denn ein/eine "Saft-Schubse(r)" dahinten schon für eine Verantwortung?
Oh je, das schöne Heldenbild der blauen Uniformen mit goldenen Streifen, es drohte in Schieflage zu geraten.

Es wurde zum Kern vorgestoßen: dem in Jahrmillionen sich nur sehr langsam entwickelnden, sehr wenig Fortschritte machenden, Kriege auslösenden, Ehescheidungen provozierenden und schon in der eigenen Familie, der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz sehr streitliebenden, unperfekten Menschen.
Warum sollte nun gerade dieser Mensch in der hoch empfindlichen, in absolut lebensfeindlicher Umgebung operierenden Aluminiumhülle eines engen und vollgepferchten Verkehrsflugzeuges so gut funktionieren, wie es sich die Ingenieure gedacht haben?
Es waren namhafte Airlines aus den USA und Europa, die sich als erste Anfang der 1980er Jahre genau dieser Herausforderung wissenschaftlich und mit enormer Leidenschaft stellten, oft gegen den Widerstand der Helden der Lüfte in den Cockpits (der Heldenstatus wurde ja gerade begraben) und die Geburt des heute in der Welt unvergleichbar erfolgreichen Führungs- und Arbeitsmodells CRM einleiteten.

Fast alle Fluggesellschaften, Hersteller und Dienstleister der operativen Luftfahrt weltweit haben das Crew-Resource-Management Modell als Grundbaustein für Ausbildung und Betrieb übernommen. Es wird immer weiter entwickelt (6. Stufe, Stand 2017) und eine Vielzahl von Psychologen, Arbeitsmedizinern und Soziologen arbeiten jetzt Hand in Hand mit den Crews und Ingenieuren um das Fliegen noch sicherer zu machen, als es schon ist.
Ziel ist es, den ICAO-Standard von einem Totalverlust alle 50 Jahre für eine Gesellschaft, auf 100 Jahre anzuheben.
Das Restrisiko der Passagierluftfahrt kommt jetzt eher aus einer ganz anderen Richtung: dem Terrorismus oder von der kriegerischen Aktivität der zu überfliegenden Länder, also von außen.

Es ist eine bis dato beispiellose Erfolgsstory eines im ökonomischen Prozess hoch anfälligen Mensch/Mensch/Maschine Systems, die die Luftfahrt uns so transparent vorlebt.

Veränderung funktioniert – mit dem richtigen Führungs- und Arbeitsmodell.

Mittwoch, 20. September 2017

Back to the roots – eine Erkenntnis im digitalen Zeitalter

Mit Sextant, Kartendreieck, Zirkel und Fernglas habe ich noch in den 1980er Jahren auf Schiffen die Welt umfahren. Es funktionierte sicher und war nicht langsamer als heute. Diese Instrumente wurden selbst im Jet-Zeitalter anfangs noch im Langstreckenverkehr auf der DC 8 und Boeing 707 eingesetzt.

Als Navigationsoffizier benötigte ich dafür eine Menge gut abrufbares und sicheres Fachwissen. Ein „befriedigend“ reichte dafür nicht. Ferner waren Beharrlichkeit, Präzision, Pünktlichkeit und ein sehr gut funktionierendes Team in meinem Nav-Abschnitt (Abteilung) nötig.

Vermisse ich das heute an Bord eines modernen Airliners oder Schiffes?
Nein, natürlich nicht – höchstens manchmal ein bisschen aus Sentimentalität ;)

Navigation ist zum Kinderspiel geworden, dank GPS und moderner Computer.
Was ich häufig vermisse ist fundiertes Basiswissen in entsprechenden Funktionen.
Das macht Digitalisierung dann wieder gefährlicher als die gute alte analoge Welt.

Denn – Computern fehlt das, was für eine konstant fehler- und stressarme Erledigung von Aufgaben zwingend Voraussetzung ist:

  • ein funktionierendes, erfolgreiches und situationsabhängiges Teamwork
  • ständiges Situationsbewußtsein

Beides bedingt einander.

Mir und meinen Fluggästen haben meine topografischen und analogen Kenntnisse schon mehr als einmal aus einer Notlage geholfen.

Was nützten die Flug-Supercomputer, wenn Sensoren ihren Geist aufgeben und die Rechner keine oder falsche Daten von außen bekommen?
Dieses Phänomen ist 2009 der Cockpitbesatzung und den anderen 226 Menschen an Bord von
Air France Flug 447 in ihrem Airbus A330 über dem Atlantik zum Verhängnis geworden.
Es fehlten beiden jungen Piloten grundlegende Kenntnisse über Aerodynamik und Flugphysik für das Fliegen in großen Höhen.
Sie gehörten nicht mehr zum Ausbildungsprogramm, da Flugzeuge in diesen Höhen nicht mehr per Hand geflogen werden.

Seit diesem Unfall wird es wieder gelehrt und trainiert – back to the roots.

Fundiertes Fachwissen und Situationsbewußtsein kann nicht durch Computer ersetzt werden!

Im Crew-Resource-Management (CRM) erkannte man seit der „Generation Airbus“ schnell die Gefahren der Digitalisierung und nahm wichtige, neue Punkte für Team- und Führungsverhalten mit in das Training auf.

In meinen Artikeln „Digitalisierung – Fluch und Segen zugleich“ und „Der Mensch ist emotional, sentimental, irrational“ gehe ich näher darauf ein.

Der Mensch bleibt die letzte Barriere im digitalen Zeitalter um fehlerhafte Computerabläufe zu verhindern.
Es lohnt sich, ihm bei allem berechtigten digitalen Fortschritt wieder mehr Zeit und Energie zu widmen.

Die Digitalisierung ist kein technisches Problem – sie ist eine Führungs- und Organisationsherausforderung.
Sonst bleibt der tollste Computer eine dumme Maschine. Wir können das zurzeit in vielen traditionellen Branchen immer häufiger erleben.

Handeln wir, sonst spielt der Kunde König und macht so manche Firmen einfach zu.

Mittwoch, 30. August 2017

Mit dem A320 von Malaga nach Gibraltar

Mit nur 1.580m Pistenlänge und einem anspruchsvollen Sichtanflug gehört Gibraltar zu den Top 5 der schwierigsten Flughäfen weltweit.
Kein Grund in Stress zu geraten – auch ohne Copiloten nicht ;)
Geordnete Gedanken, gute Vorbereitung (Briefing), Verfahren einhalten und stets 5 Minuten vor dem Flugzeug sein, dann ist es eine sichere und entspannte Angelegenheit.

Sie wollen wissen, wie das geht und wie Sie einen Transfer des Crew-Resource-Managements (CRM) in Ihr Unternehmen gestalten können?
Kommen Sie zu uns ins CRM-Training für Führungskräfte und lernen Sie im Cockpit erheblich stress- und fehlerärmer auch in Ihrer Führungsrolle zu arbeiten.

Im Video erzähle ich auch ein wenig über die britische Kronkolonie, in der ich Ende der 1990er Jahre einige Wochen beruflich im Rahmen einer Medienproduktion gelebt habe. Ist eine Reise wert ;)

Mittwoch, 23. August 2017

Die Geschichte mit den Bauklötzen – und was die Luftfahrt daraus lernte

Vor Kurzem las ich in einem Monatsheft einen Beitrag über Fehlerkultur.
Die Autorin erzählte darin folgende Geschichte:

Stellen Sie sich ein Kleinkind vor, das fröhlich und völlig versunken einen Turm aus Bauklötzen baut. Ab und zu stürzt dieser Turm wieder ein.
Dabei bleibt das Kind heiter und gelassen und fängt jedes Mal in aller Ruhe von vorne an.
Irgendwann, nach nicht allzu langer Zeit, ist der Turm fertig und das Kind juchzt vor Freude.



Jetzt verändern wir die Situation. Neben dem Kind sitzt ein Erwachsener, der das Kind laufend darüber belehrt, welche Fehler es beim Bau macht und wie es besser geht.
Er will dem Kind ja nur helfen und seine Erfahrung vermitteln, damit das Kind schneller zum Erfolg kommt. Der Erwachsene verfolgt dabei gute Absichten.
Was passiert jetzt?
Das Kind verliert nach kurzer Zeit die Lust und fängt an zu weinen. Der Turm wird nie fertig.

Diese kurze und prägnante Geschichte sagt sehr viel über die heute oft praktizierte Fehlerkultur aus. Das betrifft häufig nicht nur Unternehmen und Organisationen, sondern auch unser Privatleben.
Wir meinen es ja nur gut.

Es sind die berühmten vier Seiten einer Nachricht, wie sie der bekannte Kommunikationswissenschaftler Schulz von Thun in seinem Nachrichten-Quadrat darstellt, die eine gut gemeinte Botschaft nicht immer gut ankommen lässt.



Durch Schuldvorwürfe und Bestrafung werden wir von Klein auf dazu erzogen, selbst gut gemeinte Hinweise auf Fehler als Vorwurf zu verstehen. Wir bauen automatisch eine Verteidigungshaltung auf, fühlen uns schuldig und werden in unserer geistigen Leistungsfähigkeit drastisch eingeschränkt. Unsere Psyche schaltet in diesen Momenten auf Alarmbetrieb.

Die eben erzählte Geschichte vom Kind mit den Bauklötzen führte in der Luftfahrt zu vielen Todesopfern.

Im Jahr 1988 kollidierte der Flug Condor-Flug 3782 bei einem Routineanflug auf Izmir mit einem Berg. Alle 16 Insassen der Maschine starben.
Flugkapitän Hechler, ein ehemaliger Starfighter-Pilot und Held der Lüfte, redete permanent auf seinen durchaus erfahrenen ersten Offizier Zöller, der auf diesem Flug „Pilot Flying“ war, ein und kritisierte seine Flugzeugführung. Seine ständige Kritik fiel teils persönlich aus.
Zöller wurde derart abgelenkt und irritiert, dass er die navigatorische Übersicht komplett einbüßte. Auch Kapitän Hechler hatte das Situationsbewußtsein durch die Missachtung wesentlicher Verfahren verloren.
Die Besatzung folgte einem falschen Landesignal und die Maschine zerschellte nahe dem Flughafen Izmir bei Dunkelheit an einem Hügel.
Erst mit dem Crew-Resource-Management (CRM) wurde derartiges Verhalten als hochriskant erkannt, analysiert und dann durch die Einführung des neuen Führungsmodells, mit einem bestrafungsfreien Fehlermanagement, wirksam verändert.

In Unternehmen, Kliniken und Organisationen kommt es immer wieder zu sehr ähnlichen Situationen. Das verursacht zwar keine Toten, aber teure, teils existenzbedrohende Fehler. Und es erzeugt viele Kollateralschäden. Weit überdurchschnittliche Krankenstände und hohe Fluktuation lassen das erkennen.
Die aktuellen Zahlen der Krankenkassen belegen: Psychische Erkrankungen liegen auf Platz 3 der Gründe für Personalausfälle durch Krankheit – Tendenz steigend.

Wir leben in einer globalen Welt mit schnellen Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen, zunehmender Digitalisierung und damit immer wieder neu zu schaffenden Arbeitsprozessen. Da haben wir mit der heute meist noch praktizierten Fehlerkultur keine Erfolgsaussichten.
Wir sind zu langsam, zu ineffizient und machen zu viele Fehler!

Ein Fehlermanagement nach dem Vorbild des CRM gedeiht nicht in einer Führungskultur aus dem ersten Industriezeitalter. Auch dann nicht, wenn diese Kultur durch Alibipositionen, wie Feelgoodmanager etc. aufgehübscht und kaschiert wird.
Es helfen keine Papiertiger, in der Richtlinien für Compliance und Unternehmenskultur niedergeschrieben aber nicht von ganz oben bis ganz unten gelebt werden.

Der weltbekannte Usability Forscher Jakob Nielsen sagt treffend:
Höre nicht auf das was dein Kunde sagt, sondern schau was er tut.
Dieser Leitsatz, ursprünglich aus der Mensch-Computer Beziehung geboren, ist oft auf Lippenbekenntnisse in Unternehmensfibeln und Beteuerungen im Web anzuwenden, die in Wahrheit im Unternehmen gar nicht gelebt werden.

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Quelle der Bauklotzgeschichte:

Sandherr-Klemp, D. (2017) Fehlerkultur, in Magnificat Ausgabe September 2017, Butzon & Bercker, Kevelaer.

Mittwoch, 16. August 2017

Der Mensch ist emotional, sentimental, irrational ...

… und das wird wohl immer so bleiben.
Eines ist das menschliche Gehirn jedenfalls ganz bestimmt nicht – und da sind sich alle Hirnforscher einig: digital.

Wer das bei der Digitalisierung von Prozessen und beim Führen von Mitarbeitern nicht berücksichtigt, wird erhebliche Probleme und hohe (teure) Fehlerraten bekommen.
Selbst die immer sehr gut vorbereitete Verkehrsluftfahrt hat diese Lektion schmerzlich lernen müssen, wie ich in meinem Artikel „Digitalisierung – Fluch und Segen dicht zusammen“ bereits ausführlich am Beispiel der Einführung von digitalen, hochautomatisierten Cockpits geschildert habe.



Deshalb wurden ab der dritten Stufe des Crew-Resource-Managements (CRM) in die
definierten Verhaltensmerkmale (behavioral markers) bei Teamführern und Mitgliedern für fehlerarme Arbeitslastverteilung (workload management) und gutes Situationsbewußtsein (situational awareness) folgende wichtige Punkte aufgenommen:

  • Plane ausreichend Zeit für das Programmieren automatisierter Vorgänge vor dem Start der automatisierten Abläufe
  • Stelle sicher, dass alle Teammitglieder ständig über Status und Veränderungen der automatisierten Abläufe informiert sind
  • Erkenne für Dich und Dein Team potentielle Gefahren durch Ablenkung und Unaufmerksamkeit, die durch automatisierte Abläufe entstehen. Ergreife angemessene Vorbeugemaßnahmen

Gerade im Umgang mit Vorgängen, die durch Computer ausgeführt werden, sind Standardverfahren und Checklisten essenziell. Auch dazu habe ich vor kurzer Zeit einen Artikel veröffentlicht.

Selbst Arbeitsabläufe, die nicht direkt mit digitalisierten Prozessen zu tun haben, müssen der automatisierten Umgebung angepasst werden. So entstand eine Liste von „behavioral markers“, die es ermöglichen, Verhaltensmuster bei Trainings und Prüfungen weitgehend objektiv zu „messen“.

Außer den oben genannten Punkten gehören dazu:


  • Vermeide den „Tunnelblick“, sei Dir der Faktoren (z.B. Stress) bewusst, die Deine Aufmerksamkeit reduzieren
  • Überwache die Umgebungs-Faktoren (in der Luftfahrt z.B. Wetter, Instrumente und Funk) und kommuniziere relevante Informationen sofort
  • Bleibe gedanklich Deiner Ist-Situation voraus („5 Minuten vor dem Flugzeug sein“), um auf unerwartete Ereignisse schnell und richtig reagieren zu können
  • Stelle durch mündliche Kommunikation sicher, dass Dein Team (Crew) Deine Pläne kennt und versteht
  • Die Rollen- und Arbeitsverteilung im Team ist klar kommuniziert, verstanden und rückbestätigt
  • Stelle sicher, dass zweitrangige Tätigkeiten in der Prioritätenliste richtig eingeordnet werden
  • Erkenne und melde Arbeitsüberlastung und Verlust des Situationsbewusstseins bei Dir und Deinen Teammitgliedern ohne Verzögerung
Jeder dieser einzelnen Punkte muss nicht nur erlernt und eingeübt, sondern auch ständig trainiert werden.
Das gilt nicht nur für die Piloten, sondern für die gesamte Crew einschließlich des Bodenpersonals, der Flugzeugtechnik und der Flugsicherung.

Aus meiner Erfahrung als Manager und Berater weiß sich, dass in vielen Unternehmen kaum einer dieser Punkte in den Arbeitsprozessen definiert, geprüft oder trainiert wird. Das Ergebnis ist entsprechend.
Die Fehlerquote in Unternehmen ist konstant hoch, unabhängig vom Stand der Automatisierung.

Die Basis für ein gutes Fehlermanagement ist das Erlernen und Trainieren folgender Elemente nach den Standards des Crew-Resource-Managements (CRM):


Kommunikation
Führen in einer Hierarchie
Entscheiden unter Druck
Stressmanagement

Jeder einzelne dieser Punkte ist mit klaren Regeln untermauert, die alle Teammitglieder verinnerlicht haben. Diese Regeln sind sehr einfach und verständlich formuliert.
Sie gelten in der Verkehrsluftfahrt für alle am operativen Flugverkehr beteiligten Mitarbeiter.

Man hat in der Fliegerei gelernt, dass gerade in digitalisierten Arbeitsumgebungen das Führungs- und Arbeitsmodell CRM eine noch wichtigere Rolle für fehlerfreie Ergebnisse spielt, als in analogen Arbeitswelten.
Nur durch ein klares und trainiertes Mensch-Mensch-Maschine Verhältnis erwächst aus den Errungenschaften der digitalen Arbeitswelten die Chance, wirklich fehlerärmer und gewinnbringender zu arbeiten.

Gerade wo Computer in eine echte Zusammenarbeit mit Menschen eintreten, haben Zufälle, Handlungen aus vagen Erinnerungen und ein Verhalten, das durch die Tagesform geprägt ist, immer weniger Spielraum.



Der Mensch braucht neue Regeln und Verhaltensmuster für eine möglichst fehlerarme Zusammenarbeit mit Automaten. Das CRM liefert diese Regeln und passt sie dem technologischen Fortschritt laufend an.
Es ermöglicht dem Menschen, seine den Maschinen überlegenen Fähigkeiten (zum Beispiel Vorausschau, abschätzen und einordnen, Erfahrung) gewinnbringend mit den Vorzügen eines Automaten zu kombinieren. Am Ende des Prozesses kommt dann ein enorm fehlerarmer und effektiver Arbeitsablauf heraus.
Die Verkehrsluftfahrt beweist das jeden Tag.

Trotz kleiner Cockpitbesatzungen (auch ein Airbus A 380 oder eine Boeing 747 werden heute nur von zwei Piloten in Zusammenarbeit mit zahlreichen Computern geflogen), ständig zunehmendem Verkehrsaufkommen, extrem hoher Automatisierung und immer größeren Anforderungen an die Effizienz, hält die Verkehrsluftfahrt die Fehlerquote auf dem weltweit niedrigsten Stand aller Arbeitsplätze überhaupt – und senkt sie weiter!
Ansonsten wäre Fliegen für Sie heute keine Selbstverständlichkeit.

Quelle:


Dieses Kapitel des Referenzwerkes über das Crew-Resource-Management ist öffentlich und kostenlos einzusehen.

Mittwoch, 9. August 2017

Meine größte Fehlerbremse im Alltag – die Checkliste

Vor einigen Tagen fand einmal wieder die turnusmäßige Wartung unseres Airline-Simulators statt.



Nicht nur die Wartung erfolgt nach einer sorgfältig ausgearbeiteten Checkliste, auch die darauffolgenden Tests führen wir nach festgelegten Standard Operational Procedures (SOPs) mit Checklisten aus.
Diese Überprüfung enthält alle für unsere Trainings genutzten Elemente und sichert eine sehr hohe Qualität und Betriebssicherheit im Simulator.
Die Einsatzbereitschaft des Simulators beträgt nahezu 100 %!
Sowohl die SOPs als auch die Tests nach den dafür ausgearbeiteten Checklisten passen wir ständig den Veränderungen und Entwicklungen an.

Wie im Standardwerk für das Crew Resource Management (CRM)
„Crew Resource Management, Kanki, Helmreich und Anca, 2010“
nachzulesen, wurden über 30 % der Flugzeugunfälle wegen menschlichen Versagens durch Nichteinhalten von SOPs und den dazugehörigen Checklisten ausgelöst.

Das Einhalten von Checklisten erfordert nicht nur Disziplin, sondern vor allem Einsicht.
Und hier beginnt häufig das Übel. Sofern Checklisten und die dazugehörigen SOPs in Unternehmen überhaupt existieren, werden sie häufig am grünen Tisch, ohne die Beteiligten entworfen.
Eventuelle Verbesserungsvorschläge und Kritik an deren Sinnhaftigkeit verhallen nicht selten im Raume.
Auch fehlt oft ein System, vorhandene Checklisten und Verfahren wiederkehrend zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.


Die Verkehrsluftfahrt und deren Sicherheit lebt zum großen Teil von ständig auf dem Laufenden gehaltenen SOPs und Checklisten.
Sie sind auch schon immer fester Bestandteil des Crew-Resource-Managements (CRM).

Nur durch häufiges Training und ständiges Feedback durch den Nutzer wird das Einhalten von Checklisten im operativen Flugbetrieb gesichert.
Als eine weitere, häufige Ursache für das Missachten von Checklisten hat sich das Einschleichen von allzuviel Routine herausgestellt.


Auch das kann man nur durch regelmäßiges Trainieren und Bewusstmachen der entsprechenden Situationen gewährleisten – auch eine wichtige Erkenntnis in der Forschung zum Crew-Resource-Management.
Es waren immer wieder erfahrene Crews, die Flugzeuge in Routinesituationen, nur teils unter Stress, abstürzen ließen. Die Ursache war fast immer das unnötige Verlassen der SOPs. Die Cockpitbesatzung vergaß oft nur einen Punkt in der Checkliste. Die Konsequenz: viele Menschen starben.
Mit dem CRM nahmen diese Fehler drastisch ab.

Durch die Einführung von Standardverfahren und Checklisten nach oben beschriebenem Vorbild habe ich in Unternehmen in meist kurzer Zeit die Fehlerquoten um bis zu 50 % senken können.

Montag, 24. Juli 2017

Die größten Mensch-Maschine Irrtümer

Jakob Nielsen und Don Norman gehören zu den weltweit anerkanntesten Usability Forschern und Praktikern.
Don Norman (81 Jahre alt!) erklärt in kurzen, einfachen Worten, warum die heute meist praktizierte und angestrebte Mensch-Maschine Beziehung falsch ist und meistens unbefriedigenden Ergebnissen führt.



Im Cockpit haben wir das Problem weitgehend im Griff – nach einer harten und verlustreichen Lehrzeit über Jahrzehnte.
Seit Einzug digitaler Technik in moderne Verkehrsflugzeuge musste das Führen von Flugzeugen mehr als einmal neu erfunden werden.

In meinem vor kurzem hier publizierten Artikel Digitalisierung – Fluch und Segen dicht zusammen beschreibe ich den steinigen und verlustreichen Weg, den Flugzeugbesatzungen dabei gegangen sind.

Erst durch die konsequente Umsetzung des neuen Führungs- und Arbeitsmodells Crew-Resource-Management ist es den Besatzungen in Airlinern gelungen, nicht ständig Opfer der digitalen Technik in der Mensch-Maschine Beziehung zu werden.

Wirtschaft und Medizin sind noch meilenweit davon entfernt.

Der größte Denkfehler der heutigen Ansätze ist:


Die Maschine ersetzt den Menschen.

Der zweitgrößte Denkfehler ist:


Der Mensch überwacht die Maschine und greift, wenn nötig, ein.

Donnerstag, 20. Juli 2017

Der einsame Held hat ausgedient – Fachartikel im "Human Resources Manager"

In der neuesten Ausgabe des Magazins "Human Resources Manager (Quadriga-Verlag, Berlin) schreibe ich zum Thema "Team und Führung" im Crew-Resource-Management und seinen Transfer in den Arbeitsalltag einer Führungskraft.

Das Print-Magazin können Sie in Auszügen unter diesem Link

lesen und auch abonnieren.



Donnerstag, 13. Juli 2017

Es gibt Tage da ist Stress im Cockpit Programm

Im Cockpit gibt es Tage, da ist von Beginn des Fluges der "abnormal" Zustand programmiert.
Das bedeutet nicht unerhebliches Stresspotential, auch wenn technisch und personell eigentlich alles nach Plan läuft.
Oft ist das Wetter die Ursache. Um solche "Dauerstresstage" nicht zu einem Sicherheitsrisiko werden zu lassen, trainieren Crews bis zu 7-mal jährlich solche Umstände.
Im Mittelpunkt stehen dann drei wesentliche Komponenten im Crew-Resource-Management:
Kommunikation, Stressmanagement und Entscheidungsfindung unter Druck
nach dem Modell FOR-DEC.
Ständig, schon vor dem Flug beim Briefing, wägt die Cockpitbesatzung neu ab, da sich die Entscheidungsparameter laufend ändern – nicht immer vorhersehbar.
Dabei steht die Sicherheit an oberster Stelle.
Ihre natürlichen Gegenspieler in der Luftfahrt sind: Pünktlichkeit, Rentabilität und Belastungsgrenzen des Flugpersonals.

Wetter ist eines der Phänomene, das manchmal nicht mal zwei Stunden im voraus klar vorhersagbar ist.
Komplexe Sommer-Gewitterlagen gehören dazu. In diesem Sommer 2017 ist das bisher häufig eingetreten.
Eines ist mir in 30 Jahren Cockpiterfahrung dabei mehr als sonnenklar geworden:
Ohne Training sind solche Dauerstress-Situationen nicht sicher beherrschbar.
Die Erkenntnisse des Crew-Resource-Managements (CRM) haben mir in Interims-, Krisen- und Beratermandaten auch in Unternehmen schon erheblich weitergeholfen.

Im Vordergrund des richtigen Stressmanagements stehen drei Grundsätze:



     
   
Es hört sich einfach an, ist aber ohne laufendes Training nicht umzusetzen. Da ist sich die Wissenschaft einig!

Im folgenden Video verfolgen Sie mich im Cockpit auf einem Flug in schwerer Gewitterlage nach Berlin Tegel.




Was heißt portionieren?

  • Unterscheiden Sie zwischen DRINGEND und WICHTIG

    Dabei gilt: nicht immer das, was am meisten "Lärm" macht ist auch wichtig. Es erscheint dringend, trägt aber primär nicht zur Lösung des Problems bei.

    Ein Beispiel dazu:Beim Start, kurz vor dem Abheben, springt die Feuerwarnung für ein Triebwerk an. Lautes Klingeln, eine dicke rote, blinkende Leuchte über Ihnen, rote Alarmmeldungen auf den Monitoren. All das erscheint im ersten Augenblick sehr dringend. Doch was ist jetzt als erster Schritt wichtig? "Fliege zuerst das Flugzeug – First fly the aircraft". Ist doch klar, werden Sie denken? Nein, in dem Moment ist das der menschlichen Psyche nicht klar! Genau so sind viele Unglücke in der Luftfahrt passiert, keiner hat in diesem Moment mehr das Flugzeug geflogen. Alle haben sich durch das Getöse ablenken lassen. Erst im Crew-Resource-Management wurde ein Verhaltensmuster entwickelt und trainiert, dass hier Klarheit schafft. Der "Pilot flying" fliegt das Flugzeug, komme was da wolle!

    Ein weiteres Beispiel aus der Medizin:In der Notaufnahme geht ständig der Alarm für eine Sauerstoffuntersättigung beim Patienten los. In dem heute intensiven elektronischen Monitoring übernehmen Maschinen und Computer viele Aufgaben in der Notfallmedizin. Das Team reagiert ständig und versucht, die Alarmzustände zu neutralisieren. Dabei übersieht es eine Blutung im Bauchraum, die für den Patienten lebensbedrohlich wird. Diese Blutung klingelte nicht ständig und blinkte auch nicht rot. Dieser Fall ist mir im Seminar von leitenden Ärzten einer Notaufnahme berichtet worden.

Was heißt sequenzieren?

  • Habe ich die wichtigen Maßnahmen herausgefiltert, bilde ich ein Prioritätenliste für das Abarbeiten. An diese Liste halte ich mich, bis mir neue Erkenntnisse für eine evtl. Veränderung der Prioritäten vorliegen. Ich lasse mich nicht ablenken!

Was heißt delegieren?

  • Alle Aufgaben, die ich nicht selbst erledigen muss bzw. die nicht zu meiner Rolle gehören, delegiere ich, wenn möglich. So behalte ich die Übersicht. Der "Pilot flying", in einem Notfall meistens der Kapitän, fliegt das Flugzeug und lässt sich zuarbeiten und berichten. Er fliegt und macht sonst nichts! Kann er Zustände so nicht akzeptieren, kommuniziert er klar, direkt, prägnant und rechtzeitig mit den Beteiligten. Das sind im Cockpit der "Pilot monitoring", ggf. der Chef der Kabine und nach Außen die Flugsicherung. Ist ein dritter Pilot an Bord (z.B. ein Checkpilot) bezieht er ihn, wenn erforderlich, ins Team mit einer klar definierten Rolle ein. Dieses strikte Stressmanagement rettete im Jahr 2010 auf dem Flug Qantas 32 fast 500 Menschen in einem Airbus A380 das Leben. Zwei Cockpit-Besatzungen (die Maschine war ziemlich neu und es flogen zu Einweisungszwecken zwei Besatzungen und ein Flugingenieur) mit drei handelnden und zwei beratenden Rollen haben alles getan um dem Kapitän (Pilot flying) das zu 80% fluguntüchtige Mega-Flugzeug manövrierbar zu halten. Der Kapitän verließ sich darauf! Ohne das perfekt funktionierende und immer wieder trainierte Crew-Resource-Management wäre das fast nagelneue Flugzeug abgestürzt. Der Auslöser war eine Triebwerksexplosion kurz nach dem Start mit fatalen Beschädigungen an Hydraulik und Elektrik.

Stress ist sicher beherrschbar – immer! Ob das gelingt oder nicht liegt an Ihnen, Ihrer Methodik und Ihrem Trainingszustand.