Dienstag, 24. Oktober 2017

Sion in den Schweizer Bergen – die neue Kür für Manager

Das Setting:

Der Anflug auf Sion im Wallis ist die schwierigste Kategorie, die mit einem Airliner wie einer A320 überhaupt geflogen werden kann. Anders als z.B. auf Madeira sind es hier nicht wenige Minuten, die fliegerisch schwierig sind, sondern ein langer Cocktail eines komplexen Anflugprozesses, der keine Fehler verzeiht.
6 Grad Gleitweg (fast doppelt so steil wie normal) aus 16.000 Fuß, 5 Meilen Sichtanflug in Schlangenlinien durchs Tal im Finale (der Instrumentenanflug IGS geht bis ca. 5 Meilen vor der Bahn) und nur knapp 2.000 m Pistenlänge. Hier wird das Flugzeug in der Gewichtsklasse eines Mittelstreckenjets bis an die Grenze aerodynamisch ausgereizt. Dabei sind exzellentes Stressmanagement und ständiges Situationsbewußtsein bei präzisem Einhalten der Verfahren überlebenswichtig.

Auf den ersten Blick läuft hier alles easy nach Plan.

Auf den zweiten Blick waren Entscheidungsfindungen nach FOR-DEC in vier kritischen Momenten gefragt:

  1. Beim Erreichen des Landekurssenders (Localizer) und Umschalten auf den Anflugmodus fiel das Sendesignal kurz aus.
    Meine Entscheidung:
    Anflugroute nach Vorgaben des Navigationscomputers fortsetzen, da noch kein Sinkflug eingeleitet und noch einige Sekunden Zeit für eine finale Entscheidung (Abbruch des Anfluges) war.
  2. Nach Erreichen des Sinkflugpunktes (Initial Approach Fix) fiel der Gleitwegsender aus bzw. sein Signal war nicht zuverlässig. 
    Meine Entscheidung:
    Anflug nach alternativer Methode mit manuell gerechneter Sinkflugrate fortsetzen und Höhenchecks an den entsprechenden Punkten der Anflugkarte penibel durchführen.
  3. Das Instrumentenanflug-Minimum von 5900 Fuß war wegen Wolken nur äußerst knapp einzuhalten.
    Meine Entscheidung:
    da ich 100% sicher auf Kurs und meine Hindernisfreiheit bis 4500 Fuß garantiert waren, setzte ich den Anflug bis zu einer Sicherheitshöhe auf 5200 fort.
  4. Durch das Manöver unter 3. war ich im Finale im Sichtflugteil zu hoch.
    Meine Entscheidung: automatische Schubkontrolle und Autopilot sofort abschalten und manuell maximal möglich (unter Einhaltung der Sicherheitsmarken) korrigieren um frühestmöglich einen stabilen Endanflug sicherzustellen. Erschwert wurde das durch mäßige Scherwinde und Turbulenzen.

Was ist an einer solchen Teamübung im Rahmen des Crew-Resource-Management (CRM)-Trainings so wertvoll?

  1. Es funktioniert nach einem oder zwei Trainingstagen nur im „echten“ Team unter genauer Einhaltung der trainierten Voraussetzungen.
  2. Es erfordert eine Kommunikation im Team nahe 100 % nach den Regeln des CRM.
  3. Striktes Stressmanagement zur Erhaltung des Situationsbewußtseins (situational awareness) ist ein „must have“.
  4. Entscheidungsfindung unter Druck (FOR-DEC) muss hier in kürzester Zeit sicher ablaufen.
  5. Im Team muss es vollkommene Rollenklarheit und Rollendisziplin geben (Pilot Flying, Pilot Monitoring, Berater des PF und PM, Beobachter: Warnzeichen).

Gibt es überhaupt Teams in einem Manager-Training, die mehr vertragen als Innsbruck oder Madeira?

Ja, etwa 5 % der Teams im Training können das leisten. Deshalb entwickle ich ständig neue Szenarien mit veränderten Anforderungsprofilen.
Hier kommt es nicht auf 3-7 Minuten Höchstleistung an, sondern auf eine präzise Performance über mehr als 25 Minuten auf höchstem Level unter sehr komplexen Bedingungen.

Ist ein solches Szenario auch für ein Einzelcoaching geeignet?

Ja, im Stressmanagement-Coaching. Es hält ein sehr hohes Belastungsniveau über einen langen Zeitraum.
Im fortgeschrittenen Verlauf des Coachings kann das eine Option werden, damit der Teilnehmer am Maximum gefordert bleibt.

Macht ein solches Szenario bei Flugangst-Seminaren Sinn?

Nein, da liegt der Focus auf dem Kennenlernen, Verstehen und gewinnen von Vertrauen in das Flugzeug und seine Besatzung. Diese Übung ist dazu zu komplex und zu lang.

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