Montag, 12. Februar 2018

Wir machen was wir können – und da liegt das Problem

Einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Crew-Resource-Managements (CRM) haben die Forschungsarbeiten von Professor Dietrich Dörner.
Als Psychologe untersucht er seit Jahrzehnten Verhaltensweisen von Menschen, speziell Führungskräften in Politik und Wirtschaft.
Seine Simulationen, u. a. „Tanaland“ und „Lohhausen“ sind weltbekannt und werden bis heute in vielen Sprachen in Lehre und Studien erwähnt und angewandt.
Seine Bücher, unter anderem „Die Logik des Misslingens“ sind seit Jahrzehnten weltweit in zahlreichen Auflagen Bestseller.
Sie sind fester Bestandteil unserer Buchtipps in Seminaren.


Was motiviert Dörner, diese intensive Forschung in der kognitiven Psychologie vor allem Führungskräften und Teams zu widmen?
Wie er in seinem oben verlinkten Interview zu Beginn sagt, ist es unter anderem ein immer wieder von ihm beobachtetes Phänomen:

Menschen ändern ihr Verhalten gravierend, wenn sie unter Stress geraten oder einen Titel erhalten. Dabei ist es völlig egal, in welcher Tätigkeit sie sind. Ob beim Militär, in Wirtschaft oder Politik – diese Veränderung tritt überall gleichermaßen auf.

Welche Verhaltensmerkmale sind es, die dabei auffallen?

Man macht unter Druck Dinge, die man aus Erfahrung gut kann.

Eine der größten Gefahren sieht Dörner im zunehmenden affirmativen Denken und Handeln in solchen Positionen.
Kritiker werden aus der eigenen Umgebung entfernt, Ja-Sager gesucht.
Darin liegt die Ursache des wachsenden Realitätsverslusts.

Mehr und mehr wächst eine Scheinwelt in der zwei Handlungsmuster überwiegen:

Reparatur- und Ausweichverhalten

Dabei werden nicht nur Auseinandersetzungen und Entscheidungen für dringend notwendige Zukunftsfragen und Strategien ausgeklammert, es wird auch nicht mehr hinterfragt, ob eine Reparatur mit einer kurzfristigen Problemlösung überhaupt noch Sinn macht.
Dörner führt dabei viele, teils topaktuelle Beispiele aus Politik und Wirtschaft an.

Seine Forschungen kamen zu dem Ergebnis, dass der Grad an Komplexität von Aufgaben in direktem Zusammenhang mit diesen erwähnten „Ersatzhandlungen“ steht.
Dabei kommt er auch auf die sogenannte „digitale Transformation“ und ihre Auswirkungen zu sprechen.
Sie zieht – wie jeder technische Fortschritt – ein hohes Maß an immer komplexeren Aufgaben nach sich, dazu kommen wachsende Entscheidungsgeschwindigkeiten, die durch die Globalisierung noch mehr beschleunigt werden.

Diese Tendenz erkennt er schon Anfang der 1960er-Jahre, der ersten großen Zeit von „Elektronengehirnen“, wie er die Frühphase der Computertechnik nennt.
Er sieht dort den Start ins digitale Zeitalter.
Dabei gerät der methodentreue und veränderungsscheue Mensch nicht nur an seine Grenzen, sondern richtet mit Ausweichverhalten oft noch größeren Schaden an, als wenn er gar nicht handeln würde.
Auch hier nennt Dörner sehr prägnante Beispiele.

Diese Herausforderungen waren für ihn eine starke Motivation, sich immer intensiver mit dem Thema Simulation zu beschäftigen.
Er sieht in Simulationen einen effektiven und erfolgreichen Weg, mit komplexen Umgebungen richtig umgehen zu lernen.
Wichtig sind dabei die laufenden Reflektionen, begleitet durch erfahrene Lehrer und Trainer.

Seine Ergebnisse waren auch für uns ein starker Antrieb und eine Bestätigung für die sehr realitätsnahe Simulationsumgebung im Rahmen unserer Manager-Trainings auf Basis des Crew-Resource-Managements (CRM).

Aus Dörners Forschungen entstand nicht nur das Entscheidungsfindungs-Modell FORDEC, sie beeinflussen bis heute die Entwicklung des CRM.

Vergleiche ich die verschiedenen Forschungen von
Dörner mit denen von

James Reason (Fehlerforschung, Schweizer-Käse-Modell)),
Richard Hackman (Teamforschung, Buch "Leading Teams")
und Robert Helmreich (Fehler- und Qualitätsmanagement, Trainingsverfahren und Audits),

so stelle ich fest, dass die Ergebnisse sich nicht nur decken und nahtlos ergänzen, sondern im Führungs- und Arbeitsmodell CRM alle wieder zu finden sind.

Die Erkenntnis, dass zum Beispiel Change-Management-Versuche mit den bisherigen, alten Managementmethoden aussichtslos sind, findet sich in allen erwähnten Forschungsergebnissen.
Nur ständiges Lernen, immer wieder neues Nachdenken sowie ein offener Umgang mit kontroversen Meinungen im Team führen zu wettbewerbsfähigen Handlungsmustern. Das gilt für jede Organisation.
Diese Elemente werden am besten mit einer „learning organisation“ beschrieben, die naturgemäß anpassungsfähig ist.
Nur so hat es die Luftfahrt geschafft die hohen Geschwindigkeiten der technischen Entwicklung mit einem einzigartigen Maß an Qualität (Sicherheit) zu bewältigen.

Und auch zum Thema künstliche Intelligenz (KI) nimmt Dörner klar Stellung:
Es gibt keine KI, jedenfalls bisher, nicht mal in Ansätzen!
Er begründet das sehr stichhaltig und nachvollziehbar.

Dieses ausführliche und sehr gut geführte Interview ist für jede Führungskraft nicht nur hochspannend und praxisnah, es regt auch stark zum Nachdenken über eigene Handlungsmuster an.
Es vermeidet Buzz-Wörter und gibt klare Antworten auf die Kernfragen für erfolgreiches Führungsverhalten in der Zukunft.

Ich kann es nur jedem, der sich mit Führung auseinandersetzt, wärmstens empfehlen.

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für diesen hervorrangenden Artikel. Die Forschung von Herrn Dörner ist sehr spannend und wegweisend auch für meine Arbeit.

    AntwortenLöschen